Interview Berthold Müller

AAA Switzerland has published an interview with Peter Reinders in the Summer/Autumn 2014 issue of their magazine (German only):

AAA Switzerland

Zu Besuch bei Peter Reinders, PTP Audio, in Amsterdam
(Ein Beitrag von Berthold Müller)

Geht es Ihnen ähnlich wie mir? Da stehen vorzügliche Audiogeräte unterschiedlichster Provenienz in Ihren Räumen, musizieren klanglich über jeden Zweifel erhaben, sind seit Jahren geschätzt. Und doch fehlt etwas: ein Bezug zu deren Entwickler, den Ideen, die hinter den Kreationen stehen. Kurz: Es fehlt ihnen die Seele. Um gegen diesen Missstand anzugehen, entschloss ich mich im April dieses Jahres, den Entwickler der von mir so geschätzten PTP Solid Plattenspieler in Amsterdam zu besuchen. Da ich auf audiophiler Mission – aber dies ist eine andere Geschichte – ohnehin nach Holland fahren wollte, passte dies perfekt zusammen.

An einem sonnigen Apriltag radelte ich also auf dem Klappvelo an die Tasmanstraat, unweit des Amsterdamer Zentrums. Nach einer freundlichen Begrüssung und der Unterbringung des Gefährts im Flur des Hauses – hier ist man gut beraten, sein Zweirad, und sei es noch so klapprig, gut zu sichern – nahmen wir im Wohnzimmer der Familie Reinders Platz.

Peter Reinders gibt Antwort:

Würdest du deine Anlage kurz vorstellen?
Peter Reinders: Hier siehst du meine eigene Phonovorstufe auf Röhrenbasis. Sie verstärkt die Signale von MM-Tonabnehmern, für MC-Pickups verwende ich daher einen Übertrager. Dieses Gerät ist sicherlich nicht das Beste der Welt, es funktioniert in meinem System jedoch prima.

Denkst du eigentlich daran, nebst Plattenspielern auch andere Geräte anzubieten?
Peter Reinders: Ja, hier siehst du den Prototypen eines PTP Transistorvollverstärkers. Er soll rund 20 Watt liefern und so einfach wie möglich konstruiert sein, ganz nach dem Motto: weniger ist mehr. Beim Klang! Diese Ausführung läuft in meiner Kette sehr gut, bis zur Marktreife braucht’s aber noch etwas Feinschliff. Ich habe feststellen müssen, dass die Geräte bei identischer Bestückung unterschiedlich klingen.

Für meine Lencos verwende ich eine externe Motorsteuereinheit, welche ich nach der Anleitung eines Tüftlers von Lenco Heaven gebaut habe. Sie arbeitet wie ein Audioverstärker, welcher mittels Sinusgenerator die Netzfrequenz erzeugt und diese auf 30V verstärkt. Danach wird die Spannung durch einen Transformator wieder auf 230V erhöht. Sowohl die Netzfrequenz wie auch die Spannung lassen sich aber regulieren. In der Regel belasse ich letztere auf ca. 220V. Reguliert man weiter runter, gewinnt man zwar etwas Ruhe, verliert dafür an Kraft und Unmittelbarkeit. In der Grossstadt mit ihrer verunreinigten Stromversorgung ist der Vorteil des aufbereiteten Stroms sogleich feststellbar. Weiterer Pluspunkt: Das Reibrad muss nicht mehr verstellt werden, da die Frequenzen für 45er- oder auch 78er-Schallplatten elektronisch erzeugt werden können. Auch mit weiteren klassischen Laufwerken funktioniert diese Netzversorgung hervorragend. Ob ich ein solches Gerät anbieten werde, ist aber fraglich, da der Preis dafür in der Höhe jenes fürs Laufwerk anzusiedeln wäre. Auf Lenco Heaven gibt es jedoch eine Anleitung, welche es einigermassen versierten Bastlern ermöglichen sollte, sich so ein Teil herzustellen. Dort kann man natürlich auch meine Ausführung ansehen (Hier und hier).

Dein weisser Solid9 ist ja mit einem ungewöhnlichen Arm bestückt. Kannst du etwas dazu erzählen?
Peter Reinders: Das ist ein Lenco-Arm! Er ist auf Saphiren gelagert und harmoniert wegen seines geringen Gewichts gut mit MMPickups, hier mit einem Acutex. Hergestellt wurde das gute Stück übrigens nicht in der Schweiz, sondern in der Tschechoslowakei, von der Firma Tesla. So erstaunt es auch nicht, dass er Ähnlichkeiten mit den Produkten der Nachfolgefirma Project aufweist.
Im schwarzen Solid12 ist ein Schickarm – neu mit Antiskatingeinrichtung – im Zusammenspiel mit einem Denon DL-103 an der Arbeit. Weiter betreibe ich übrigens immer noch meinen ersten CD-Spieler, allerdings nur dann, wenn Gäste zum Essen da sind und das Wechseln der Platten zu umständlich wäre.

Wie bist du eigentlich auf den Lenco gekommen?
Peter Reinders: Audiogon ermöglichte mir 2004 den Wiedereinstieg ins Lenco-Reich. Bereits meine Grosseltern und Eltern waren Lenco-Besitzer und ich durfte den L70 des Grossvaters übernehmen, als sich dieser entschloss, sich «etwas Besseres» zu gönnen. Der Aufbau meines ersten Lenco-Plattenspielers hat dann so gut geklappt, dass ich den Thorens TD-125 danach nicht mehr betreiben mochte. Warum ausgerechnet Lenco? Das ist natürlich auch ein Zufall. Ich habe mit Lenco begonnen, damit gute Resultate erzielt und bin damit weiter gegangen. Auch mit anderen klassischen Reibradlern lassen sich vortreffliche Plattenspieler realisieren. Aber durch den einfachen Aufbau des Lenco bleibt hier mehr Spielraum, um etwas Eigenes, Neues, Besseres zu entwickeln. Dank Internet waren nun plötzlich Dinge verfügbar, welche früher kaum zu beschaffen gewesen wären. Das Chassis des Originallenco hat mich jedoch nie befriedigt, deswegen entschloss ich mich, eine neue Trägerplatte zu entwickeln – die erste PTP war geboren und in einer kleinen Serie für Selbstbauer produziert. Dank Lenco Heaven verbreitete sich die Kunde und alsbald gab es Bestellungen noch und noch. Mehrere Weiterentwicklungen der PTP folgten und immer wieder trafen Anfragen von handwerklich weniger begabten Menschen ein, doch auch ein fertiges Produkt anzubieten.

Nun gibt’s ihn – den PTP!
Peter Reinders: Nach einigen Projekten mit Massivholz, Multiplex sowie Schiefer fiel meine Wahl schliesslich auf Corian, welches gute Dämpfungseigenschaften mit einem akzeptablen Gewicht verbindet. Dazu ist Corian viel einfacher zu bearbeiten als Stein. Darauf gebracht wurde ich durch den Käufer einer PTP-Platte, welcher sein Modell mit Corian verwirklicht hat. Mein Ziel war es auch, ein möglichst zeitloses Design zu entwerfen und den Kunden bei der Farbgebung die Wahl zu lassen. Besonders viele Varianten wurden bislang noch nicht gewünscht – mehr als 80% der Solid wird in der schwarzen Ausführung bestellt. Ein grosser Teil der Plattenspieler wurde übrigens nach Amerika verschickt, aber auch die Schweiz hat eine Anzahl davon abbekommen...

Was hältst du eigentlich von den anderen Antriebsarten?
Peter Reinders: Für mich ist es immer auch eine Frage, wie man etwas macht. Ein guter Riemen- oder Direkttriebler kann auch hervorragend klingen. Mit einem kräftigen Motor beispielweise und einer Transmission aus einem wenig nachgiebigen Material kann ein Gerät sehr nahe an die klangqualität eines Reibradlers kommen.

Thema Lenco-Tuning: Was hältst du davon, die Feder, welche das Reibrad zum Teller zieht, durch ein Gewicht zu ersetzen?
Peter Reinders: Ich habe das auch versucht, aber ich bin davon kein Fan. Im besten Fall gibt’s keinen Unterschied. Die Feder funktioniert seit Jahrzehnten prima. Sie dient ja nur dazu, das Reibrad in Position zu halten. Eigentlich könnte man den Lenco auch ohne Feder perfekt spielen lassen. Die Kraft der Gewichte halte ich für viel zu gross, sodass sogar Schäden am Reibrad verursacht werden können. Auch mit Gummis habe ich keine positiven Erfahrungen gemacht. Ich habe grösste Hochachtung vor der Entwicklungsleistung der Lenco-Leute. Zunächst denke ich oft: Die haben das bloss deshalb so gemacht, weil es billig herzustellen war. Mit etwas Erfahrung sehe ich dann immer wieder: Nein, im Original steckt die beste Lösung. Auch Experimente mit Doppeltellern halte ich für überflüssig. Einziger Vorteil: Sie ermöglichen es, zwischen den Tellern noch mit Dämpfungsmaterialien zu experimentieren. Dies lässt sich aber einfacher mit Tellermatten bewerkstelligen.

Gibt es eigentlich auch beim Solid noch Tuningpotential?
Peter Reinders: Zunächst wäre da natürlich das neue Lager zu erwähnen. Damit ausgerüstet spielen die Laufwerke nochmals deutlich ruhiger und flüssiger. Auch die Positionierung der drei Gerätefüsse hat durchaus einen Einfluss auf den Klang. Je nach Unterlage klingt es besser, wenn diese eher zentral positioniert werden. Da gilt es einfach, dies einmal auszuprobieren.

Hast du weitere Projekte?
Peter Reinders: Die Lenco-Zukunft ist wegen der immer schwieriger werdenden Gerätebeschaffung in Holland keineswegs gesichert. Noch gibt’s aber immer wieder Geräte. Zum Glück! Leider aber steigen deren Preise unaufhaltsam. Um für die schreckliche Lenco-lose Zukunft gerüstet zu sein, bin ich auf der Suche nach einem adäquaten Motor für einen von Grund auf selbst entwickelten Plattenspieler. Dass als Antriebsart nur ein Reibrad in Frage kommt, versteht sich von selbst. Motoren gibt’s auf dem Markt unzählige, ein Exemplar zu finden, welches sich für einen per Reibrad angetriebenen Plattenspieler eignet, ist hingegen keine einfache Geschichte. Die meisten aktuellen Motoren sind nämlich elektronisch geregelt und dies ist für unsere Zwecke ungeeignet. Ich bleibe jedoch hartnäckig dran und hoffe, in ein paar Jahren einen Nachfolger für die auf dem Lenco basierenden Plattenspieler präsentieren zu können.

Was kannst du über deinen beruflichen Werdegang erzählen?
Peter Reinders: Nach meinem Studium von Industriedesign – als Diplomarbeit entwickelte ich übrigens das Design für einen Röhren-Endverstärker eines kleinen holländischen Unternehmens
– habe ich viele Jahre bei einem Hersteller von Schul- und Büromöbeln gearbeitet. 2012 geriet die Firma in die Krise und musste die Tätigkeit einstellen. Schon vor dieser Zeit habe ich entschieden, nur noch vier Tage im Betrieb und einen Tag für PTP Audio zu arbeiten. So fielen aber die ersten 4 Tage weg und ich kann oder muss mich auf meine Tätigkeit im Audiobereich konzentrieren. Um das kleine Unternehmen auf ein sicheres Fundament zu stellen, bin ich natürlich auf Publizität angewiesen – und was gibt es besseres als Mund-zu-Mund-Propaganda durch zufriedene Kundschaft!

Genesis – The Lamb Lies Down On Broadway
Noch dies: Auf die einsame Insel würde Peter Reinders «The Lamb Lies Down on Broadway» von Genesis mitnehmen. Schlau ausgewählt, denn immerhin handelt es sich dabei um ein Doppelalbum – so wird es ihm nicht so schnell langweilig. Peter hat aber einen sehr vielseitigen Musikgeschmack, wovon auch seine umfangreiche Plattensammlung zeugt.

Fazit nach meinem Besuch in Amsterdam:
Schön, zu wissen, woher die geliebten Plattenspieler kommen! Ich wünsche Peter Reinders weiterhin viel Erfolg mit seinen wunderbaren Produkten und bedanke mich bestens für das Gespräch.

Kontakt (auch in deutscher Sprache): www.ptpaudio.com